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Forschung - 07.05.2014 - 00:00 

HSG-Professoren am runden Tisch

Im Vorfeld der Europa-Wahlen vom 22.-25. Mai trafen sich HSG-Professoren, um sich mit den wahlrelevanten politischen Fragen, dem Aufstieg der europaskeptischen Parteien und den Auswirkungen der Krise in der Ukraine zu befassen.

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22. Mai 2014. Die gegen Ende dieses Monats zum achten Mal stattfindenden Wahlen des Europaparlaments veranlassten Professoren aus verschiedenen Instituten, am runden Tisch zu den Wahlen Stellung zu nehmen. Die folgenden Professoren nahmen an diesem Gespräch teil:

  • Dr. Dirk Lehmkuhl, Professor für Politikwissenschaft mit besonderer Berücksichtigung der europäischen Politik
  • Simon Evenett, PhD., Professor für Aussenwirtschaft und Entwicklung
  • Dr. Vincent Kaufmann, Medien, Kommunikation und französische Kultur
  • Patrick Emmenegger, PhD., Professor für Politikwissenschaft und öffentliche Politik
  • Guido Cozzi, PhD., Professor für Makroökonomie und politische Ökonomie

Prof. Kaufmann machte den Auftakt und stellte fest, dass bei diesen Wahlen etwas nicht zusammenpasse. «Zur Zeit verabschiedet das Europa-Parlament Gesetze über finanzielle Angelegenheiten, über eine Europäische Bankenunion, schwerwiegende technische Belange… aber das wird von den Leuten nicht wahrgenommen und es ist nicht Teil der aktuellen Debatte.»

Prof. Lehmkuhl pflichtete bei und wies darauf hin, dass Europa nicht mit Zielen und Erfolgen in diese Wahlen einsteige, sondern mit einer Reaktion auf die Reaktion auf die Finanzkrise. Er stellte fest, dass wir einen Schub in Richtung Zentralisierung und einer besseren Koordination von wirtschaftlichen und steuerlichen Angelegenheiten sehen, räumt jedoch ein, dass diese Fragen «als Gesprächsthemen nicht sexy» seien. Er beobachtet, dass die Mitgliedstaaten «dabei die Schuld der Europäischen Union in die Schuhe schiebe – ob die Schuld nun dort liegt oder nicht.»

Prof. Emmenegger bemerkte, dass, wenn die Leute unzufrieden sind, sie der Globalisierung Schuld geben und diese mit der EU assoziieren, sich eine Rückkehr zu «besseren Zeiten» wünschen und dabei leicht vergessen, dass damals bewaffnete Grenzwächter an allen Übergängen standen.

Prof. Kaufmann brachte eine kulturelle Perspektive ins Gespräch ein und wies eindringlich darauf hin, dass die Einwanderung in Frankreich zwar ein Thema sei, die grössten Herausforderungen auf diesem Gebiet indes nicht von den Immigranten aus der EU, sondern aus Nordafrika stammten. «Es geht dort im Grunde um eine nationale Politik.»

Die Zunahme der Europaskepsis
Prof. Cozzi brachte nicht nur seinen akademischen Hintergrund, sondern auch seinen Blickwinkel als italienischer Bürger mit in die Runde. Er wies unumwunden darauf hin, dass die regionalen Regierungen Europa die Schuld für viele ihrer eigenen, hausgemachten Probleme zuschreiben, und er führte den früheren italienischen Premierminister Berlusconi als Beispiel an. «Berlusconi sagte, er wolle mehr Italien, weniger Europa, weniger Deutschland… als ob das die Antwort auf die Herausforderungen Italiens wäre.» Cozzi bemerkte auch, dass ein interessanter Vorteil des Aufkommens der europaskeptischen Parteien darin bestehe, dass die Leute dazu gezwungen würden, über Europa nachzudenken.

Prof. Emmenegger gab zu bedenken, dass ein Höhepunkt der Union ihre Ausdehnung in Osteuropa sei. «Der Fortschritt in dieser Region ist unglaublich – namentlich wenn man Polen mit der Ukraine vergleicht.» Er ist der Meinung, dass dies ein Sammelpunkt sei, an dem sich die proeuropäischen Parteien mobilisieren sollten.

Die EU und die Ukraine

Eine dunkle Wolke, die über diese Wahlen aufgezogen ist, ist die Krise in der Ukraine. Prof. Evenett betrachtete dieses Thema aus der Sicht des Ökonomen und gab der Meinung Ausdruck, dass Handelssanktionen nicht nützen würden. Er führte aus, dass finanzielle Sanktionen potentiell nuklearer Natur seien und falls sie zur Anwendung kämen, wir nicht wüssten, was für potentielle Schäden sie der Weltwirtschaft zufügen könnten. Er hält dafür, dass wir Russland möglicherweise entgegenkommen müssen. «Wir mögen das vielleicht nicht, es mag zum Himmel stinken, aber ich sehe keine andere Lösung.»

Im Hinblick auf die Ukraine-Krise und deren Auswirkungen auf diese Wahlen erwähnte Prof. Emmenegger, dass es keine europäische Stellungnahme gebe… was Prof. Cozzi wiederum paradox findet, weil «diese Leute in der Ukraine ihr Leben teilweise dafür aufs Spiel setzten, um sich Europa anzunähern, und wir haben nichts dazu zu sagen, und das ist empörend.»

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