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Campus - 08.04.2020 - 00:00 

Innovative Lehrformate: Didaktischer Transfer

Die Lehre wird laufend reformiert. Und genauso die Ausbildung der angehenden Lehrpersonen. Das Programm in Wirtschaftspädagogik hat sich dieser Herausforderung angenommen und zeigt ein Muster an innovativem Lehren und Lernen. Von Studentenreporter Thomas Tarantini.

 

8. April 2020. Blended Learning – ein Modebegriff der Didaktik. Das hat einen Grund: Die Kombination von online und offline Aktivitäten führt nachweislich zu einem höheren Lernzuwachs gegenüber traditionellen Unterrichtsformen. Dies ist auch der Universität St.Gallen nicht entgangen. Entsprechend pflegen und adaptieren diverse Lehrveranstaltungen dieses Prinzip.
 

Die vierteilige Kursreihe «Didaktischer Transfer» stellt das Herzstück der Ausbildung in Wirtschaftspädagogik an der Universität St.Gallen dar. Gemäss dem Lehrbeauftragten Eric Tarantini, Doktorand am Institut für Wirtschaftspädagogik (IWP-HSG), gewinnt Blended Learning auch an Gymnasien und Berufsschulen (Stufe SEK II) an Bedeutung: «Im Unterricht auf der Stufe SEK II findet vermehrt ein Rollenwechsel der Lehrperson hin zu einer Form der Lernbegleitung bzw. des Coachings statt, während Schüler*innen vermehrt individuelle Lernblöcke nutzen. Diese Perspektive ist in der Lehrpersonenausbildung ebenfalls wichtig.»

Das Medium Video im Fokus

Im Didaktischen Transfer I (Bachelorstufe) und II (Masterstufe) entwickeln Studierende grundlegende Lehrkompetenzen. Daher sei es besonders wichtig sie mit modernen Methoden und Medien zu schulen. Im HS2019 fand dabei eine innovative Durchführung mit Social Video Learning statt – in Echtzeit. Doch was bedeutet das? Die angehenden Lehrpersonen leisten im Kurs zwei Mini-Unterrichtsblöcke (Microteachings) mit einer Dauer von jeweils 20 Minuten. Die zu unterrichtenden Fächer sind BWL, VWL, Recht und Rechnungslegung. In seiner Pilotgruppe nimmt Eric Tarantini diese Microteachings mit dem Smartphone auf. Parallel dazu tragen die Kommilitonen*innen via App Markierungen zu vorgängig zugeteilten Bewertungskriterien ein. Dazu gehören beispielsweise das Lehrerverhalten, die Nutzung von Medien sowie verbale und non-verbale Kommunikation. In der klassischen Durchführung in den anderen Gruppen findet ebenfalls eine Videonotation statt jedoch ohne Live-Funktion.
 

In einem nächsten Schritt formulieren die Studierenden ihre Markierungen via Laptop in aussagekräftige Kommentare aus. Über die Plattform «edubreakCAMPUS» sind Video und Kommentare in sogenannten Annotationen aneinander gekoppelt. Das heisst, bei Beendigung des Videos erfolgt ein Upload auf die Plattform sowie eine automatische Integration aller Einträge der Studierenden inklusive entsprechender Zeitpunkte. Die Uploadzeit ist so gering, dass noch im selben Unterrichtsblock mündlich Feedback gegeben werden kann. Daher findet die Veranstaltung in Blöcken von vier Lektionen statt – zwei für Micro-Teachings und Kommentarnotationen sowie zwei für die entsprechenden Feedback-Diskussionen.

Wirksame Einprägung ins Gedächtnis

Das Videomaterial mit eingebundenem, situationsspezifischem Feedback wird anschliessend zur Selbstreflexion der eigenen Unterrichtspraxis genutzt. Dies erlaubt den Studierenden der Wirtschaftspädagogik weiter in die Tiefe zu gehen. Eric Tarantini betont dabei die Wichtigkeit der zweispurigen Verarbeitung von Informationen durch Bild und Text. Dies führe nachweislich zu einer besseren Verankerung der Lerninhalte im Gedächtnis – ein Grund warum Social Video Learning eine besonders effektive Lehr- und Lernmethode ist.
 

Aufgrund der Coronakrise musste das Kursdesign im FS2020 rein digital aufgegleist werden. Wie in zahlreichen anderen Kursen war dabei die Plattform Zoom behilflich. Dies verändert das Setting massgeblich. Aus einer Unterrichtssituation im Klassenzimmer wird ein Webinar. «Aus diesem Grund werden in diesem Semester die Micro-Teachings nicht benotet, sondern nur die Unterrichtsplanungen und die Reflexionsberichte», erklärt Eric Tarantini. Dies gelte jedoch ausschliesslich für die aktuelle Durchführung des Seminars. Die vollständige Online-Umstellung erschwere nämlich die Beziehungsbildung sowie eine empathische Zusammenarbeit massgeblich. Durchführungen nach der aktuellen Ausnahmesituation richten sich daher wieder nach dem Kursdesign aus dem vergangenen Semester.

Zuerst emotional, dann rational

«Digitale Elemente dienen stets der Unterstützung. Der Mensch und die Interaktion mit anderen Menschen bleiben das Zentrum. In Fähigkeiten wie Empathie, individuelles Verständnis und Beziehungsbildung bleibt der Mensch Technologien wohl immer voraus», erzählt Eric Tarantini. Idealerweise sollen digitale Mittel zu einer besseren Lernzielerreichung führen. Ihr Einsatz sei somit unmittelbar an eine Nutzenfrage gekoppelt. Dies ändere sich auch nicht mit der Einführung und Erforschung neuer, für die Lehre relevanter Technologien wie Robotik, künstliche Intelligenz und virtuelle Realität. «Es gilt Emotionalität vor Rationalität. Bevor man in den Kopf kommt, muss man das Herz gewinnen.»

Thomas Tarantini studiert Business Innovation (MBI) und im Lehrprogramm in Wirtschaftsjournalismus.
 

Bild: Eric Tarantini, Aufnahme eines Micro-Teachings mit Echtzeit-Kommentarspalte

 

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