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Campus - 17.09.2019 - 00:00 

HSG will Betreuung der Doktorierenden weiter verbessern

72,1 Prozent der Doktorierenden sind glücklich oder sehr glücklich, sich für ein Doktorat an der Universität St.Gallen entschieden zu haben. 62 Prozent sind auch mit ihrer Betreuung zufrieden. Dies zeigt eine von der Studentenschaft und dem Mittelbau durchgeführte Umfrage. Die Untersuchung offenbart aber auch Defizite: Die Anforderungen an ein Doktorat sind vielen unklar, Betreuungsqualität und Arbeitsbedingungen sowie die Höhe der Gebühren werden kritisiert. 38,4 Prozent der Befragten geben an, ein Machtgefälle zur Betreuungsperson zu spüren. Die HSG hat bereits diverse Massnahmen zur Verbesserung ergriffen. Weitere sind für den Herbst geplant bzw. sollen im Austausch mit den verschiedenen Anspruchsgruppen umgesetzt werden.

17. September 2019. Die Studentenschaft und der Mittelbau haben im Dezember 2018 unter den Doktorierenden der Universität St.Gallen eine Umfrage über ihre Situation bzgl. Betreuung und Arbeitsbedingungen durchgeführt. Von den damals eingeschriebenen 613 Doktorierenden haben 379 die Umfrage ausgefüllt. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 61,8%, was auf ein hohes Interesse und Bedürfnis der Doktorierenden hindeutet, Rückmeldungen zum Doktorat zu geben.

Vertretende des Mittelbaus und Prof. Dr. Kuno Schedler, Prorektor Forschung & Faculty, haben dem Senat am 16. September 2019 die Umfrage vorgestellt. Heute haben Mittelbau, Studentenschaft und das Prorektorat Forschung & Faculty gemeinsam die Untersuchung den Medien und der Öffentlichkeit präsentiert. Kuno Schedler bedankte sich dabei im Namen der Universitätsleitung für die grosse und wertvolle Arbeit, die eine wichtige Grundlage für weitere Verbesserungen zur Betreuung der Doktorierenden liefere.

Die wichtigsten Resultate

  • 72,1% der Doktorierenden sind glücklich oder sehr glücklich mit ihrer Entscheidung, ein Doktorat an der HSG zu absolvieren. 62% sind mit ihrer Betreuung zufrieden oder sehr zufrieden. Demgegenüber geben 21,4% Doktorierende an, mit ihrer Betreuung nicht oder gar nicht zufrieden zu sein.
  • Während 76% angeben, regelmässiges Feedback, mindestens alle sechs Monate, von ihrer Betreuungsperson zu bekommen, geben 11,8% an, weniger als einmal im Jahr oder nie Rückmeldung von ihrer Betreuungsperson zu bekommen. Die Umfrage hat gezeigt, dass die Häufigkeit des Feedbacks mit steigender Zahl Doktorierender pro Betreuungsperson abnimmt.
  • Knapp zwei Drittel der befragten Doktorierenden sind neben ihrem Doktorat auch an der HSG angestellt und von diesen arbeiten 95% für ihre Doktoratsbetreuenden. Als Probleme werden insbesondere unklare Arbeitsbedingungen (44,4%), fehlende Mitarbeitendengespräche (28,4%), zu hohe Arbeitsbelastung (30,6%), fehlende Möglichkeit, Überzeit zu kompensieren (47,9%) und eine als unfair erlebte Entlöhnung (22%) genannt. 23,1% der Befragten geben an, mit ihren Arbeitsbedingungen nicht oder gar nicht zufrieden zu sein.
  • 38,4% der befragten Doktorierenden geben an, mit einem Machtgefälle zu ihrer Betreuungsperson konfrontiert zu sein. 19% geben Verstösse gegen die wissenschaftliche Integrität wie ungerechtfertigte Co-Autorenschaften an, 13,8% müssen regelmässig an Wochenenden arbeiten und 12,5% sind impliziten oder expliziten Drohungen ausgesetzt, ihr Doktorat nicht erfolgreich abschliessen zu können. Im Fall von Problemen mit der Betreuerin, dem Betreuer wissen 26,2% nicht, wo sie Hilfe suchen können und 9% trauen sich nicht, Hilfe zu suchen.
  • 26,3% präsentieren ihre Forschung nie. 33% präsentieren nie an internationalen Konferenzen und 40% stehen keine internen Gefässe zur Präsentation ihrer Forschung zur Verfügung.
  • 59% der befragten Doktorierenden beurteilen die Qualität der akademischen Programme als gut oder sehr gut. 35,8% der Doktorierenden werden von ihren Vorgesetzten in ihrer Karriere unterstützt und 16,9% werden aktiv ermutigt, persönliche Weiterbildungskurse des Young Investigator Programme zu besuchen, welches die HSG speziell für diese Gruppe anbietet.

Empfehlungen von Studentenschaft und Mittelbau

Aus Sicht von Mittelbau und Studentenschaft ist es erfreulich, dass sich ein Grossteil der Befragten mit der Situation an der HSG im Wesentlichen zufrieden zeigt. Sogleich ist es jedoch zentral, die vorgebrachten Kritikpunkte ernst zu nehmen und Massnahmen zur Verbesserung aufzugleisen. Dabei ist den speziellen Herausforderungen bzgl. Betreuungs- und Arbeitsverhältnis Rechnung zu tragen. Studentenschaft und Mittelbau empfehlen der Universität deshalb u.a., die Kursqualität zu verbessern, neben den Semestergebühren anfallende zusätzliche Gebühren transparenter zu gestalten und zu senken sowie die Semestergebühren nicht zu erhöhen. Anforderungen, Erwartungen, Rechte und Pflichten an ein Doktorat sollen transparent kommuniziert werden. Die Arbeitsanforderungen und die Aufteilung der Arbeiten am Dissertationsprojekt und an der Universität sollen klarer kommuniziert werden – idealerweise in Form einer Doktoratsvereinbarung, welche von der Universitätsleitung verbindlich festgelegt und kontrolliert wird.

Zudem fordern Studentenschaft und Mittelbau die Anzahl Doktorierender pro Betreuerin oder Betreuer auf maximal zehn Personen zu begrenzen. Die Betreuenden sollen eine verbindliche Vorgabe erhalten, einmal pro Semester mit jedem Doktorierenden den Arbeitsfortschritt zu besprechen. Es sollen Forschungskolloquien und Schreibgruppen etabliert werden, in welchen sich Doktorierende gegenseitig ihre Arbeit vorstellen und Rückmeldungen geben können. Finanzierungsmöglichkeiten für Doktorierende zur Teilnahme an wissenschaftlichen Konferenzen sollen bereitgestellt und es soll sichergestellt werden, dass die Betreuenden ihre Doktorierenden ermutigen, ihre Forschung an internationalen Konferenzen vorzustellen. Zudem sollen die Doktorierenden einen festgelegten Anteil ihrer bezahlten Arbeitszeit fix für die Arbeit an ihrem Dissertationsprojekt nutzen können. Die Universität sollte den Umfang z.B. auf einen Tag pro Woche bei einer 70%-Anstellung festlegen und sicherstellen, dass regelmässig Mitarbeitenden-Gespräche geführt werden sowie Überzeit kompensiert werden kann.

Studentenschaft und Mittelbau empfehlen zudem, die Doppelrolle als Vorgesetzte oder Vorgesetzter und Betreuerin oder Betreuer und das damit verbundene Machtungleichgewicht aufzulösen, indem Betreuung und Begutachtung getrennt und durch ein Dissertationskomitee durchgeführt werden. Zudem soll die Universitätsleitung wissenschaftlich integres Verhalten bei Autorenschaften durchsetzen, so dass lediglich die Personen, die einen signifikanten wissenschaftlichen Beitrag zu einer Publikation leisten, auch als Co-Autorinnen oder Co-Autoren auftreten dürfen sowie Weiterbildungskurse für Doktoratsbetreuende anbieten.

Doktoratsbroschüre, Workshop, Jobbeschreibungen

Das Rektorat begrüsst die Umfrage, die seinen Bestrebungen entgegenkommt, die Qualität des Doktorates in Abstimmung mit den nationalen und internationalen Standards laufend weiterzuentwickeln. Ein Doktorat stellt eine wissenschaftliche Prüfung über mehrere Jahre dar. Damit verbunden ist ein grosser Leistungsdruck mit überdurchschnittlich hohem Zeitaufwand. Gerade deshalb ist es für die HSG wichtig, die gegenseitigen Erwartungen zu klären und gemeinsam mit den Studierenden und dem Mittelbau Forschungsbedingungen zu gewährleisten, die eine erfolgreiche Dissertation ermöglichen.

Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen die Notwendigkeit, weiter am Thema zu arbeiten. Gleichzeitig liefert die Untersuchung eine repräsentative Sicht auf die Situation der Doktorierenden aus deren Warte. Bei den meisten Punkten handelt es sich indes nicht um ein HSG-spezifisches Problem, sondern vielmehr um Aspekte, die sich an verschiedenen Schweizer Hochschulen zeigen. Die Empfehlungen von Studentenschaft und Mittelbau entsprechen zu einem grossen Teil auch internationalen Standards.

Nachdem bereits in den vergangenen Jahren zahlreiche Verbesserungen realisiert werden konnten – wie mit der Reform der Promotionsordnung, der Fallkonferenz oder den Gesprächen des Rektorats mit einzelnen Betreuenden – wird mit Beginn des Herbstsemesters 2019 eine neue Doktoratsbroschüre publiziert, welche die Grundlage für die Klärung der Rechte und Pflichten der Doktorierenden und ihren Betreuenden sowie deren Betreuungsvereinbarung bildet. Ende Oktober 2019 wird ein Workshop Excellence in PhD Supervision für sämtliche Betreuenden von Doktorierenden an der Universität St.Gallen durchgeführt. Und für 2019/2020 sind Jobbeschreibungen für alle akademischen Positionen der HSG inklusive Doktorierende geplant. Bei den Positionen mit vorgesehener Doktoratsbetreuung werden spezifische Erwartungen in den Kategorien Forschung und Führung aufgenommen. Diese Jobprofile spielen auch bei den Berufungsverfahren eine wichtige Rolle.

Entscheide in den universitären Gremien

Die Universitätsleitung plant, im Herbstsemester 2019 die Umfrage und die Empfehlungen von Studentenschaft und Mittelbau ausführlich in sämtlichen universitären Gremien zu besprechen und mögliche weiterführende Massnahmen zu diskutieren und abzuleiten. Mit ersten Resultaten ist im Frühjahr 2020 zu rechnen. 

Bisher erfolgte Massnahmen

  • 2015: Richtlinien zur Integrität wissenschaftlichen Arbeitens (Wissenschaftliche Integrität) mit Regelung der Co-Autorenschaft in Art. 6 Abs. 2: «Einen Anspruch auf Autorenschaft haben diejenigen Personen inne, die durch persönliche, wissenschaftliche Leistung einen wesentlichen inhaltlichen Beitrag bei der Konzeption, Durchführung oder Auswertung einer wissenschaftlichen Veröffentlichung geleistet haben.»
  • 2016: Broschüre zur Sensibilisierung von Mitarbeitenden für Sicherung persönlicher Integrität im Studium und am Arbeitsplatz (Informationsbroschüre zu Diskriminierung, Mobbing, sexueller Belästigung, Machtmissbrauch).
  • 2016: Young Investigator Programme (YIP): Verschiedene Angebote für Doktorierende zu Karriere, wissenschaftlichem Arbeiten, Schreibwerkstätten, Peer Mentoring, Führung von Forschungsteams.
  • 2017: Reform der Promotionsordnung (PromO 17): Entflechtung der Dissertationsbetreuung, -bewertung und Vorgesetztenfunktion, z.B. unabhängige Begutachtung durch ein Dissertationskomitee, Abhängigkeit der Doktorierenden von den Betreuenden abgeschwächt (Doktorierende können neu andere Begutachtung verlangen, wenn mit dem Betreuer Konflikt besteht), Rechte und Pflichten aufgeführt.
  • Seit 2017: Anonymisierte Fallsammlung von Problemfällen bei Doktorierenden durch das Prorektorat Forschung & Faculty, PhD Office und Beratungsstellen.
  • Seit 2017: Etablierung einer Fallkonferenz zur Situation Doktorierender an der HSG: Besprechung und Abschätzung Handlungsbedarf in regelmässigen Fallkonferenzen im Semesterrhythmus (mit formellen und informellen Anlaufstellen) durchs Prorektorat Forschung & Faculty.
  • Seit 2018: Regelmässige Gespräche des Rektorates mit Instituten und kritisierten Betreuenden, Festlegung von Massnahmen, Nachbetreuung.
  • Seit 2018 Dilemma-Ausbildung Ordinarien: Senatsklausur 2018 und Onboarding-Programm für neue Professorinnen und Professoren mit einem Teil zur Doktoratsbetreuung.
  • August 2019: Meldestelle für Missstände (Whistleblowing): externe, unabhängige Stelle, bei der auch Doktorierende anonym Missstände melden können.

Die komplette Doktorierenden-Umfrage ist rechts oben als Download verfügbar.

Die Doktoratsbroschüre ist als E-Paper oder als PDF via publishing.unisg.ch erhältlich und kann gedruckt via doktorat@unisg.ch bestellt werden.

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