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Campus - 06.05.2015 - 00:00 

Fünf Mythen über Digital Natives

Über die Generation der «Digital Natives» gibt es zahlreiche Vorurteile. Das St. Gallen Symposium ist mit dem GfK Verein in der Studie «Global Perspectives Barometer 2015» fünf Mythen auf den Grund gegangen. Befragt wurden über 1000 Personen aus 100 Ländern.

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8. Mai 2015. Über die Generation der «Digital Natives» gibt es zahlreiche Vorurteile und Mythen: Sie sei eine selbstverliebte, konfliktscheue, Social-Media-süchtige Generation von Selfie-Sammlern ohne Führungswillen. Mit klassischen Konzepten von Hierarchie, Strukturen und Loyalität könne sie nichts mehr anfangen. Der GfK Verein und das St. Gallen Symposium sind fünf Mythen in ihrer gemeinsamen Studie «Global Perspectives Barometer 2015» auf den Grund gegangen. Befragt wurden über 1000 Akademiker und junge Berufsleute aus 100 Ländern.

Mythos 1: Ohne Social Media geht nichts

Eine wichtige Erkenntnis vorab: Die Führungskräfte von morgen entsprechen keinem Stereotyp. Vieles, was über die «Digital Natives» erzählt wird, trifft auf die Leaders of Tomorrow nicht wirklich zu. Beispielsweise dass sie ständig online und in sozialen Netzwerken aktiv sein müssten: Immerhin fast die Hälfte der Befragten würde auf Wunsch des Arbeitgebers auf Social Media während der Arbeitszeit verzichten. Andererseits sind 30 Prozent der Top-Talente nicht zu einem Verzicht bereit. «Da Unternehmen sicher nicht auf drei von zehn Talenten verzichten wollen und können, sollten sie ihren Umgang mit Social Media überdenken und klare Linien vorgeben», resümiert Dr. Andreas Neus, stellvertretender Geschäftsführer des GfK Vereins und Autor der Studie.

Mythos 2: Hierarchie ist ein Auslaufmodell

Häufig wird beschrieben, dass die «Digital Natives» hierarchische Strukturen in Unternehmen für ein überholtes Konzept halten. Doch die Studie zeigt, dass man hier klarer differenzieren muss: zwei Drittel der jungen Top-Talente halten zumindest bei Projekten klare Führungs- und Verantwortungsstrukturen für wichtig. Dazu gehört ein verantwortlicher Projektleiter, der auch in der Lage sein muss, Entscheidungen für das Team zu fällen. An ihre Führungskräfte stellen die Leaders of Tomorrow allerdings sehr hohe Ansprüche: Wichtigste Aufgabe einer Führungskraft sei es, das Team zu inspirieren und ihm eine Vision zu vermitteln, die das Team auf ein gemeinsames Ziel hin orientiert und motiviert. Die Einbeziehung der Meinung des Teams wird von einem Manager zwar erwartet, aber gleichzeitig eine schnelle Entscheidung mit klarer Kommunikation gefordert.

Mythos 3: Werte sind wichtiger als Dienstwagen & Co. - Stimmt

Eine «erfolgreiche Karriere» messen die Leaders of Tomorrow mit anderen Maßstäben als ihre Vorgänger. Danach gefragt, anhand welcher drei Kriterien sie in zehn Jahren beurteilen würden, ob ihre Karriere erfolgreich war, gibt knapp die Hälfte an, dass ein Job mit einem positiven Einfluss auf die Gesellschaft ein zentrales Messkriterium für den Erfolg ihrer Karriere sein wird. Faszinierende Projekte sind für ein Drittel des Führungsnachwuchses ausschlaggebend. Die Erreichung eines hohen Gehalts ist hingegen mit nur 14 Prozent weit abgeschlagen. Und klassische machtorientierte Faktoren haben noch weniger Bedeutung: Nur für 5 Prozent ist es wichtig, ein großes Team zu führen. Bei der Arbeitgeberwahl zählen ethische Aspekte: sechs von zehn Befragten würden nicht für ein Unternehmen arbeiten, dessen Werte sie nicht teilen.

Mythos 4: Die klassische Karriere gilt nicht als erstrebenswert

Die jungen Talente wollen gestalten, etwas zum Positiven bewegen und ihr Wissen anwenden. Formale Führungsmacht scheint den meisten von ihnen dafür jedoch nicht mehr der richtige Weg. So rückt das Karriereziel «Top Level Executive» für den Großteil der Leaders of Tomorrow in den Hintergrund. 44 Prozent bevorzugen, anerkannte Experten auf ihrem Gebiet zu werden. Nur ein Viertel strebt nach einer klassischen Top-Management Karriere. Für ein weiteres Viertel bedeutet Karriere die Position eines erfolgreichen Projektmanagers. Unternehmen sind gefragt, ihren Nachwuchskräften mehr Gestaltungsspielraum zu geben und Karrieren jenseits der klassischen Führungslaufbahn zu eröffnen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die jungen Talente lieber ohne die «Alten» in eigenen Firmen weitermachen: «Die Leaders of Tomorrow wollen nicht mehr alle ins Top Management, aber sie alle wollen ganz sicher etwas bewegen. Das zeigt vor allem die Tatsache, dass zwei Drittel sich in den kommenden fünf Jahren selbständig machen möchten. Möglicherweise weil sie dort die besseren Chancen sehen, ihre Ideen und Innovationen zu verwirklichen», meint Dr. Johannes Berchtold, COO des St. Gallen Symposiums.

Mythos 5: Brennen für ein Thema ist wichtiger als Erfahrung

Junge Führungskräfte bringen Begeisterung, frische Ideen und Wissen in Unternehmen. Das ist es auch, was den Leaders of Tomorrow am wichtigsten wäre, wenn sie selbst ein Projektteam zusammenstellen müssten: neun von zehn der Befragten würden bei Projekten ihre Teammitglieder danach auswählen, dass sie die Vision des Projekts teilen und mit Leidenschaft an das Thema gehen. Erfahrung mit Projektarbeit ist für knapp die Hälfte der Befragten ein wichtiger Rekrutierungsgrund. Deutlich weniger gefragt sind von den Leaders of Tomorrow in der Branche gesammelte Erfahrungen oder der summa cum laude Abschluss an einer Top-Universität. «Diese Ergebnisse decken sich mit den offenen Antworten der Führungskräfte von morgen: Sie fordern von heutigen Top-Managern eine klarere Differenzierung zwischen Expertise und Seniorität. Laut der Leaders of Tomorrow überschätzen heutige Führungskräfte deutlich den Wert ihrer analogen Erfahrung in einer digitalen Welt, die zunehmend nach neuen Regeln funktioniert», erklärt Andreas Neus vom GfK Verein.

Dialog auf Augenhöhe

Der Wunsch nach Austausch, Offenheit und Veränderung zeigt sich auch bei den Kommentaren der Leaders of Tomorrow zur heutigen Führungsriege: Unter anderem werfen sie den aktuellen Managern Engstirnigkeit (28 Prozent) und Egoismus (24 Prozent) vor. Auch halten die jungen Top-Talente viele herrschende Geschäftsmodelle für veraltet. Entscheidungsprozesse seien zu unstrukturiert und zu wenig rational. Ihr dringender Rat an die heutigen Top-Manager ist, sich ernsthaft mit der modernen Technologie auseinanderzusetzen, um die neue digitale Welt zu verstehen. «Das Wissen darüber würden die Leaders of Tomorrow in Firmen und Organisationen einbringen – sie wünschen sich aber im Gegenzug ernst genommen zu werden», sagt Andreas Neus. «Deshalb sind Unternehmen gut damit beraten, einen Dialog auf Augenhöhe zu suchen, statt sich auf Erfahrungen aus der Vergangenheit auszuruhen.»

Bild: Photocase/ Tom Haese

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