close

Campus - 05.06.2023 - 11:25 

Interne Untersuchungen: HSG entzieht Professor die Leitung des Instituts

Gestützt auf den Bericht der Prüfgruppe zu den Vorkommnissen am Institut für Supply Chain Management wird Prof. Dr. Wolfgang Stölzle die Leitung des Instituts per sofort entzogen. Darüber hinaus folgt die Universität St.Gallen den Empfehlungen der Prüfgruppe und hat weitere Abklärungen eingeleitet. Für die Zukunft sind das neue Universitätsgesetz sowie die kürzlich verabschiedete Doktoratsreform entscheidend.
Quelle: HSG Newsroom

Nachfolgend der Überblick zur Untersuchung der Vorkommnisse am Institut für Supply Chain Management (ISCM), zu den Ergebnissen der «Aktion der Offenlegung» und der Prüfung von Plagiatsvorwürfen.

Prof. Dr. Wolfgang Stölzle und das Institut für Supply Chain Management

Das ISCM wird per sofort nicht mehr von Prof. Dr. Wolfgang Stölzle geleitet. Die Universität St.Gallen (HSG) ergreift diese Massnahme gestützt auf eine laufende Administrativuntersuchung und den Bericht der eingesetzten Prüfgruppe unter Vorsitz des ehemaligen Bundesrichters Dr. Niklaus Oberholzer. Die Führung des Instituts übernimmt bis auf Weiteres Prof. Dr. Thomas Friedli, der im Februar 2023 als Beistand im ISCM eingesetzt worden war.

Nicht alle Vorwürfe, die von verschiedenen Seiten gegen Wolfgang Stölzle erhoben worden sind, konnten erhärtet werden. Einzelne schwere Vorwürfe haben sich aber bestätigt oder es besteht Grund zur Annahme, dass sie zutreffen könnten. Dies insbesondere in Bezug auf erhebliche Mängel in der Instituts- und Personalführung und die Beziehung zur privaten Firma von Wolfgang Stölzle. Zusammengefasst kommt die Prüfgruppe bezogen auf Wolfgang Stölzle und das ISCM zu folgenden Hauptbefunden:

  • Die Einordnung des Instituts in gesamtuniversitäre Abläufe fehlte.
  • Es bestand eine problematische Führungskultur.
  • Es gab eine starke Vermischung dienstlicher und privater Interessen.

Aktuell laufen für den Abschluss des Administrativverfahrens noch vertiefende Abklärungen. Auf dieser Basis können weitere Massnahmen ergriffen werden. Zudem hat der Universitätsrat das Rektorat beauftragt, bis im Herbst Lösungsansätze zu den Themenkomplexen Professorenunternehmungen, Nebenbeschäftigungen sowie Beschäftigung von Familienmitgliedern sowie Partnerinnen und Partnern zu entwickeln und bis im Spätsommer vorzulegen.

Fazit der «Aktion der Offenlegung»

Verschiedene Vorkommnisse in jüngster Zeit haben gezeigt, dass nicht alle beobachteten oder empfundenen Missstände auf den ordentlichen internen Beschwerdewegen und bei den vorhandenen Anlaufstellen geltend gemacht werden. Darum haben Stefan Kölliker, Präsident des Universitätsrats, und Rektor Prof. Dr. Bernhard Ehrenzeller im Januar 2023 mit der «Aktion der Offenlegung» die Angehörigen der Universität aufgerufen, mit allfälligen Beschwerden an die Zürcher Anwaltskanzlei Rudin Cantieni zu gelangen. Im dreimonatigen Zeitfenster gingen dort insgesamt 37 Meldungen ein, die meisten davon anonym:

  • Keine der Meldungen hat eine Sofortmassnahme erfordert.
  • Ein erheblicher Teil der Fälle betraf die Situation der Doktorierenden. Hier wird die kürzlich verabschiedete Doktoratsreform zu wesentlichen Verbesserungen führen (vgl. unten).
  • Bei Einzelfällen, die einer Abklärung bedürfen, wurden die Betroffenen (sofern bekannt) um Stellungnahmen ersucht, bevor das Rektorat über weitere Massnahmen entscheidet.
  • Es ging auch um institutionelle und kulturelle Fragen, welche angegangen werden, z.B. indem das Bewusstsein für den Code of Conduct über alle Stufen hinweg geschärft wird. Zudem wird im Herbstsemester 2023 eine Informationskampagne durchgeführt, um die zuständigen internen Stellen, die Ombudsstelle sowie die Meldestelle für Missstände und ihre Dienstleistungen bei den Angehörigen der Universität bekannter zu machen und deren Vertrauen in die Stellen zu stärken.

«Wir bedauern es zutiefst, dass es im besagten Institut zu einem solchen Missbrauch der Vertrauenskultur kommen konnte. Solches Verhalten muss in Zukunft früher erkannt und behoben werden. Ebenso bedauern wir, wenn Universitätsangehörige durch die in der „Aktion der Offenlegung“ gemeldeten Vorfälle Unrecht erlitten haben oder sich verletzt fühlen. Ich kann Ihnen versichern, dass das Rektorat der HSG aus diesen Ereignissen lernt und handelt», sagte Rektor Bernhard Ehrenzeller im Rahmen der heutigen Medienorientierung.

Klärung der Plagiatsvorwürfe dauert an

Langsamer als geplant kommen die Abklärungen der Plagiatsvorwürfe gegen einen Titularprofessor der HSG voran. Es stellte sich als schwierig heraus, geeignete, unabhängige Fachleute für die Überprüfung zu finden. Nach mehreren Absagen konnten erst Ende April 2023 zwei qualifizierte externe Fachpersonen für die Mitarbeit in der Kommission gewonnen werden. Das Einholen der nötigen externen Gutachten erforderte ebenfalls mehr Zeit als erwartet. Die HSG wird zum Gesamtergebnis der Überprüfung so rasch wie möglich kommunizieren. Zudem steht sie mit der Technischen Universität Darmstadt in Kontakt, welche bereits im Februar 2022 eine Kommission zur Überprüfung der dort eingereichten Dissertation des Titularprofessors eingesetzt hat.

Um Aufsicht und Kontrolle an der in den vergangenen Jahren stark gewachsenen HSG zu stärken und die Rahmenbedingungen für Doktorierende zu verbessern, sind das neue Universitätsgesetz und die Doktoratsreform entscheidend.

Verbesserungen mit dem neuen Universitätsgesetz

Der Fall von Wolfgang Stölzle und dem ISCM hat exemplarisch gezeigt, dass das jetzige System der Aufsicht über die Institute, das stark auf Kooperation und Selbstdeklaration setzt, nachgebessert werden muss. Das Problem ist erkannt und wurde im Rahmen der Revision des Universitätsgesetzes mehrfach adressiert. Dieses sieht u.a. vor, dass das Rektorat gestärkt wird und künftig die Institute beaufsichtigt, wofür es neue Werkzeuge erhält. Die Universität steht voll und ganz hinter dem Entwurf, der jetzt in den Kantonsrat geht. Sie hofft, dass die Gesetzesvorlage im Kantonsrat wie geplant verabschiedet wird und per Anfang 2024 in Kraft treten kann.

Doktoratsreform verabschiedet

Das Doktorat ist der höchste universitäre Ausbildungsgrad und verlangt ein hohes Engagement beider Seiten; sowohl der Doktorierenden als auch der betreuenden Personen. Die HSG hat es sich zum Ziel gesetzt, die Rahmenbedingungen bestmöglich zu gestalten. Seit 2020 wird intensiv an einer Doktoratsreform gearbeitet. Diese wurde am 22. Mai 2023 vom Senat, dem höchsten akademischen Gremium der Universität, nahezu einstimmig verabschiedet. Das Rektorat ist überzeugt, mit der Reform substanzielle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für Doktorierende zu erreichen. Sie beinhaltet u.a. bessere Anstellungsbedingungen mit garantierter Forschungszeit von mindestens 40 Prozent, eine Doktoratsvereinbarung zur Klärung der gegenseitigen Erwartungen, regelmässige Personal- und Standortgespräche sowie neu eine obligatorische externe Begutachtung der Dissertation und einen unabhängigen Vorsitzenden der Dissertationskommission.

 

 

north