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Hintergrund - 06.05.2022 - 00:00 

Nachhaltigkeit im Einzelhandel als «Monsteraufgabe»

Raoul Rossmann, Geschäftsführer der deutschen Drogeriekette Dirk Rossmann GmbH, diskutierte mit Gästen des St.Gallen Symposiums, HSG-Marketingexpertin Prof. Dr. Johanna Gollnhofer und Wirtschaftsjournalistin Martina Fuchs über Nachhaltigkeit im Einzelhandel. Ein Thema, das gerade bei Millenials besonders präsent ist.

 

6. Mai 2022. Der Einzelhandel gilt als Bindeglied zwischen Produzenten und Endkunden. Nachhaltige Produkte müssen auf allen Ebenen der Lieferkette umweltfreundlich und arbeitsrechtlich korrekt hergestellt werden. Was als nachhaltig wahrgenommen wird, hänge dabei von verschiedenen Beweggründen ab, hiess es in der Gesprächsrunde. Tier- und Umweltschutz, Menschenrechte oder Weltklima seien gleichermassen wichtig. Komplex sei auch die Frage, welche Produktverpackung aus Kundensicht am nachhaltigsten sei. Für gewisse Produkte wie beispielsweise Gurken könne die Plastikverpackung für längere Haltbarkeit sorgen, sei aber nicht umweltfreundlich.

Veränderung des Kaufverhaltens

Nach fast 50 Jahren Unternehmensgeschichte blickt die Dirk Rossmann GmbH auf Wandel im Zuge von Trends. Raoul Rossmann erinnerte sich während der Diskussion an einen Zeitpunkt, als das Thema Mikroplastik stark in den Fokus rückte. In solchen Fällen schnell und wirksam Lösungsbeiträge zu kommunizieren, könne aus Kundensicht sinnvoll sein. Marketing kann aber auch kritisch stimmen: Die Medienpräsenz von «Bio-Labels» habe viele KundInnen zum Beispiel eher skeptisch gemacht, wie auch Untersuchungen mit dem Analysewerkzeug Google-Trends zeigen. Um Kaufverhalten langfristig zu verändern, brauche es immer ein gewisses «Grundrauschen» in der Online-Welt, sagte Rossmann.

Nachhaltigkeit darf nicht zu teuer sein

Bei der Vermarktung nachhaltiger Produkte sollte zukünftig mehr Fokus auf Selbstverwirklichung und Freiheit gelegt werden, anstelle auf Pflicht, fand Johanna Gollnhofer. Ihr fehle bei der Bewerbung nachhaltiger Produkte der Spassfaktor. Während der Pandemie wurden Menschen quasi zu Nachhaltigkeit gezwungen – weniger Fahrten und Flüge, deren Reduktion als wesentlicher Nachhaltigkeitstreiber gilt. Hinsichtlich Kaufverhalten und Lebensstil verfügen jedoch gerade Einkommensschwächere nicht über die finanziellen Ressourcen, stets auf Nachhaltigkeit zu achten.
 

Doch wie sieht es bei den Millenials aus? Die Frage der Moderatorin Martina Fuchs, ob Nachhaltigkeit in deren DNA liege, beantwortete Johanna Gollnhofer. Die junge Generation teile eine andere Perspektive auf Marken, sie forderten ethisches und nachhaltiges Verhalten von Unternehmen und wählten auch ihre Arbeitgeber entsprechend. Gemäss der Konsumtheorie werde mit dem persönlichen Kaufverhalten die eigene Überzeugung ausgedrückt. Auch die Suche nach Selbstwirksamkeit sei bei Millenials gross, ergänzte Raoul Rossmann. Jüngere Menschen möchten das Gefühl erhalten, dem Klimawandel wirksam entgegenzutreten, anstelle Ohnmacht zu fühlen.  

Nachhaltige Produkte glaubwürdig positionieren

Nachhaltigkeit gut zu implementieren, sei eine «Monsteraufgabe», so Raoul Rossmann. Einen ausgewogenen Energiemix, auf Gas und Erdöl zu verzichten, sehe er als einzige Lösung zu tatsächlicher Nachhaltigkeit. Der Anteil an Eigenmarken beträgt bei der Drogeriekette derzeit 25 Prozent – für diese müsse Verantwortung getragen werden. Als Geschäftsführer mit langjährigen Erfahrungen im Einkauf sei für ihn wichtig, seine Fachkompetenzen in Logistik und Gebäudetechnik nachhaltig auszurichten sowie Effizienz und Wirtschaftlichkeit im Einklang mit Nachhaltigkeitszielen voranzutreiben.
 

«Dank Machine Learning und Künstlicher Intelligenz gelingt es der Dirk Rossmann GmbH heute, Produktnachfragen effizient vorherzusagen», sagte Rossmann. Die grossen Konzerne wie Procter & Gamble oder Beiersdorf mit ihren Produktpaletten hinsichtlich Greenwashing zu kontrollieren, sei schier unmöglich und nicht Aufgabe des Händlers, fand Rossmann. Dank ausgewählten Projektpartnern könne aber Glaubwürdigkeit «übernommen» werden – ein Beispiel einer gelungenen Kooperation sei Edeka mit WWF. Ein Label für Nachhaltigkeit allein reiche nicht. Vielmehr müsse eine sogenannte Konsumentenerziehung stattfinden, um Kundenverwirrung zu beseitigen. Am Schluss entscheide eben der Kunde.

 

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