Hintergrund - 19.05.2022 - 00:00
19. Mai 2022. Das EcoOst Symposium will die Erkenntnisse und den Generationendialog des St.Gallen Symposiums (SGS) auf die Ostschweiz übertragen. Den Auftakt machten Deborah Walt und Lukas Schindler, zwei Studierende der Universität St.Gallen (HSG), die als ISC-Mitglieder das 51. SGS unter dem Motto «Collaborative Advantage» mitorganisiert hatten. Sie schilderten ihre Eindrücke des bewegten Jahres mithilfe von Fotos und Videos.
Volle Ränge am EcoOst St.Gallen Symposium in der Lokremise.
In seiner Keynote sprach HSG-Professor Patrick Emmenegger vom Krieg in der Ukraine, der das 51. SGS geprägt habe, obwohl Krieg das Gegenteil von Kooperation sei. Allerdings sei Europa dadurch näher zusammengerückt. Weltweit sei die Ablehnung der russischen Aggression aber nicht so deutlich. Sein Highlight am diesjährigen SGS war die Session mit Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa: Sie zeigte auf, dass die Wahl des Diktatorensohns Ferdinand Marcos Junior zum Präsidenten der Philippinen nur möglich war durch eine Beschönigung der Vergangenheit sowie eine Einschränkung der freien Medien. Hier zog er Parallelen zu Russland. Natürlich habe die Schweiz andere Voraussetzungen, doch auch hierzulande werde die Pressefreiheit zunehmend eingeschränkt, wie eine Erhebung von «Reporter ohne Grenzen» jüngst aufgezeigt habe. Doch Kritik, wie sie die Medien ausüben, sei ebenfalls eine Form der Zusammenarbeit: Zusammenarbeit könne also auch weh tun. In diesem Sinne wünscht er sich mehr Ehrlichkeit in der Schweiz, etwa in Bezug auf das Verhältnis zur EU. Zum Abschluss lud er alle Anwesenden ein, an der Initiative für einen neuen Generationenvertrag mitzuwirken, die das SGS und der Club of Rome lanciert haben. «Lassen Sie uns gemeinsam die Zukunft entdecken und gestalten», so sein Appell.
Professor Patrick Emmenegger sprach in seiner Keynote zahlreich globale Probleme an, die nur generationsübergreifend zu lösen seien.
Wandel gemeinsam gestalten – grenzübergreifend
Nach dieser Tour d’Horizon war es am Podium, den lokalen Bezug herzustellen. Studierende der HSG lieferten Impulse dazu. Christoph Loos, CEO der Hilti AG, gab zu bedenken, dass ein einheitlicher Metropolitanraum noch nicht entstanden sei. «Ich habe noch keinen politischen Willen dafür erkannt.» Er sehe zwar viel Pragmatismus und Kollegialität in allen vier Ländern, doch fehle die Agenda, um auch grosse, komplexe Themen wie den Verkehr anzugehen. Alt-Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold, Präsidentin von Switzerland Global Enterprise, zeigte sich unzufrieden mit dem Verhältnis Schweiz-EU. «Man kann nur auf Lösungen hoffen. Für alle, die grenzüberschreitend tätig sind, ist das enorm wichtig.» Der Bodensee habe aber nicht nur etwas Verbindendes, sondern auch etwas Trennendes. Dorothee Buhmann, Geschäftsführerin der Buhmann Systeme GmbH, sieht viel touristisches und wirtschaftliches Potenzial für einen Metropolitanraum Bodensee. «Wir rund um Lindau fühlen uns nirgends zugehörig.» Auch Christian Zoll, Präsident der Industriellenvereinigung Vorarlberg, begrüsste die Initiative. «Der erste Schritt ist der wichtigste.»
Die Region muss lauter werden
Der Input von HSG-Student Philip Rodak lenkte die Diskussion auf das Thema Verkehr: Die wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Region funktioniere, doch das Angebot an nachhaltiger Mobilität halte nicht Schritt. Könne der Bodenseeraum als «Reallabor» für nachhaltige Mobilitätslösungen fungieren? Die Expertise dafür sei vorhanden. Christoph Loos gab zu bedenken, dass Mobilitätslösungen in einem solchen Raum nicht national geplant werden könnten. Aktuell gebe es etwa zu wenig Austausch zwischen der Schweiz und Vorarlberg. Auch Dorothee Buhmann sieht «viel Luft nach oben». Sie frage sich aber, ob der Verkehr so wichtig bleibe, wenn immer mehr Personen zuhause arbeiten. Zudem sei der grenzüberschreitende Pendlerverkehr ein einseitiges Problem, was Christian Zoll bestätigte. Für ihn ist die Verkehrssituation aber «absolut unbefriedigend», zumal der Schwerverkehr durch die Vorarlberger Ortschaften fahre. Doch auch die Individualmobilität müsse sich verändern. Ruth Metzler-Arnold bemängelte die Anbindung der Ostschweiz ans SBB-Netz. «Wir sind vielleicht nicht laut genug, wenn es um unsere Bedürfnisse geht.» Allerdings warnte sie vor Vergleichen mit urbaneren Grenzgebieten wie etwa Basel.
Kann sich die Bodenseeregion als Standort für Green-Tech positionieren? Das Podium diskutierte die Frage kontrovers.
Die HSG-Studierenden Niklas Gurcke und Luca Bianchi lancierten das Thema Fachkräftemangel. Das Problem bestehe, obwohl die Bodenseeregion über Top-Forschungs- und Bildungseinrichtungen sowie führende Technologieunternehmen verfüge. Was kann man dagegen tun? Warum nicht die als Freizeitparadies bekannte Region im Bereich Green-Tech positionieren? Dazu brauche es länderübergreifende Kooperationen und enge Verbindungen zwischen Bildung, Wirtschaft und Staat. Für Christoph Loos ist dies eine «schöne Vision», die jedoch zu kurz greife. Die Region müsse für alle Arbeitnehmer attraktiver werden. Ruth Metzler-Arnold sieht ein Problem darin, dass bei Paaren häufig beide eine Stelle suchen, was in Ballungsräumen einfacher sei. Das Problem kenne man auch an der HSG bei der Berufung von Professor:innen. Zudem sei die Gesellschaft in der Ostschweiz gegenüber anderen Kulturen eher weniger offen. «Hier können wir alle einen Effort leisten.» Positiv äusserte sich Christian Zoll, da die Region im Bereich Green Tech bereits heute gut dastehe, etwa bei der Anzahl Patente. «Aber wir sind zu leise im Verkaufen. Es braucht mehr Marketing, damit die Leute checken, wie gut die Region ist.» Trotz einzelner Kritik beurteilte das Podium die Positionierung im Bereich Green-Tech als Idee, die es weiterzuverfolgen gelte. So wurde das Thema auch beim Apéro intensiv weiterdiskutiert.
Weitere Beiträge aus der gleichen Kategorie
Das könnte Sie auch interessieren
Entdecken Sie unsere Themenschwerpunkte