Öffentliche Vorlesungen
«Erstaunliche Geräte» nannte der Astronom, Physiker, Mathematiker und Naturphilosoph Johannes Kepler 1608 in der wohl ersten Science-Fiction-Erzählung der Literaturgeschichte, Der Traum, die Instrumente, mit denen er einen Dämon zum Mond reisen liess. Kepler, überzeugt davon, dass der Kosmos ein harmonisches und als solches berechenbares Weltganzes bildete, entwickelte die mathematischen Modelle für solche Instrumente. Der Däne Tycho Brahe, als dessen Assistent er an den Hof Kaiser Rudolfs II. in Prag kam, zeichnete genaue Beobachtungen von Planeten und Sternenbahnen auf. Und der Toggenburger Jost Bürgi baute auf diesen Grundlagen «erstaunliche Geräte» – mechanische Himmels und Planetengloben, oft in Verbindung mit Uhren, Zeichen und Messinstrumenten –, von denen einige ab September im St.Galler Kulturmuseum in der Ausstellung zu Jost Bürgi zu sehen sind. Die Vorlesung begleitet diese Ausstellung, indem sie den Spuren nachgeht, die die Werke Keplers und seiner Zeitgenossen in der Literaturge schichte hinterlassen haben – Spuren, an denen nicht zuletzt zu sehen sein wird, wie viel Literatur mit Uhrmacherkunst und Astronomie gemeinsam hat: eben diejenige Kombination aus präzisem Handwerk und visionärer Vorstellungs kraft, mit der bereits die Wissenschaft der frühen Neuzeit die Möglichkeit einer Mondreise aus den Sternen gelesen hat. Keplers Erzählung Der Traum, Friedrich Schillers Drama Wallenstein mit Keplers Porträt als Astrologe Seni und später die historischen Romane von Max Brod, Olaf Saile, George Gaio Mano und Christoph Ransmayr führen ihre Leserschaft auf weite und oft sehr abenteuerliche Reisen in die Welt der damaligen Uhren und Globenbauer – und erzählen dabei stets auch von ihrer eigenen Zeit.
Mittwoch, 18.15 bis 19.45 Uhr, Kulturmuseum, Museumstrasse 50, 9000 St.Gallen
20.9., 27.9., 4.10., 11.10., 18.10. und 25.10.2023
Dozentin | Prof. Dr. Ulrike Landfester, Ordentliche Professorin für Deutsche Sprache und Literatur, Universität St.Gallen