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Meinungen - 14.08.2013 - 00:00 

Wählen nach der Flut

Schröder in Gummistiefeln, Merkel in Wanderschuhen: Die politische Krisenbewältigung von Naturkatastrophen kann bei Wahlen das Zünglein an der Waage sein. Michael M. Bechtel über Hochwasser als Wahlhelfer.

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21. August 2013. Ende Mai 2013 in Mitteleuropa. Tagelang Regen. Allein in Deutschland fallen über 22 Billionen Liter. Das ist zwei Mal so viel wie der Inhalt des Vierwaldstättersees. Bald darauf erreicht die Elbe in Ostdeutschland Wasserstände, die über dem des Jahrtausendhochwassers von 2002 liegen. Die zerstörerische Wirkung der Flut ist enorm: Experten schätzen die Schäden auf über 12 Milliarden Euro.

Die Bundesregierung reagiert schnell. Sie entsendet das Militär, um den Menschen vor Ort zu helfen und bringt eilig ein Gesetz für die Einrichtung eines umfangreichen Hilfsfonds auf den Weg. Politiker aller Parteien besuchen die betroffenen Gebiete, um sich selbst ein Bild zu machen. Wie auch beim Elbehochwasser 2002 stehen in wenigen Wochen Bundestagswahlen an.

Politiker demonstrieren Hilfsbereitschaft
Vergleicht man die Bundestagswahl 2013 mit der im Jahre 2002, so erstaunen die Ähnlichkeit sowohl der Ereignisse als auch deren Abfolge. Auf die Jahrtausendflut im Sommer 2002 reagierte die damalige SPD/Grünen-Regierung ebenfalls ohne Zögern. Sie setzte mehr als 40.000 Soldaten der Bundeswehr und über sieben Milliarden Euro ein, um den Menschen in den betroffenen Gebieten zu helfen. Die Hochwasserhilfe entwickelte sich in der Folge zu einem der zentralen Wahlkampfthemen, bei dem die SPD gegenüber der CDU aus Sicht zahlreicher Kommentatoren punkten konnte. Was aber war die Auswirkung der umfangreichen Fluthilfe auf das Wahlergebnis der Bundestagswahlen im September 2002? Machte sich das Regierungshandeln bei den Wahlen bezahlt? Oder hatten die Bürger die Hilfsbereitschaft der Politik bis zu den Wahlen bereits vergessen?

Stimmenbonus von neun Prozentpunkten
Die Studie von Michael M. Bechtel und Jens Hainmueller (MIT) – publiziert im «American Journal of Political Science» – kommt zu folgendem Schluss: Der Stimmenanteil der SPD bei der Bundestagswahl 2002 wäre in den betroffenen Wahlkreisen um etwa sieben Prozentpunkte geringer ausgefallen, wenn die Jahrtausendflut nicht stattgefunden hätte. Die Wähler in den überfluteten Regionen belohnten die Regierung also für die schnelle und umfangreiche Hochwasserhilfe spürbar. Die Analysen zeigen zudem, dass vor allem konservative Wähler davon überzeugt werden konnten, ihre Stimme der regierenden SPD statt der CDU zu geben. Diese Zuwächse sicherten der SPD seinerzeit vermutlich den Wahlsieg.

Doch die Fluthilfe hatte auch langfristig politische Auswirkungen: Sogar bei der drei Jahre später stattfindenden Bundestagswahl 2005 verzeichnete die SPD in jenen Wahlkreisen, die 2002 vom Hochwasser betroffenen gewesen waren, noch einen «Fluthilfebonus» von durchschnittlich zwei Prozentpunkten. Erst bei der Bundestagswahl 2009 gab es in diesen Gebieten für die SPD keine Belohnung mehr für die geleistete Unterstützung. Langfristig brachte das Hochwasser der SPD also insgesamt einen Stimmenbonus von neun Prozentpunkten.

Fluthilfe für die Bundestagswahl
Beim Elbehochwasser 2002 hatte das schnelle und entschlossene Handeln der Regierung deutliche Auswirkungen auf das Ergebnis Bundestagswahl am 22. September 2002. Lässt sich dieses Ergebnis auf die anstehende Bundestagswahl 2013 übertragen, die erneut am 22. September stattfinden wird? Wenngleich dies in vielerlei Hinsicht plausibel erscheint, bestehen dennoch möglicherweise wichtige Unterschiede. Zum Beispiel fiel 2002 der damalige Kanzlerkandidat Edmund Stoiber vor allem dadurch auf, dass er sich dem Elbehochwasser erst sehr spät widmete.

Damit erleichterte er es dem Amtsinhaber Gerhard Schröder zusätzlich, dieses Thema erfolgreich zu besetzen und bei den Wählern zu punkten. Zudem fand das Hochwasser 2013 etwa einen Monat früher statt als die Flut im Jahre 2002, bei der die Wasserhöchststände erst Mitte August erreicht wurden und die Aufräumarbeiten bis Anfang September andauerten. Ob und wie sehr die Bundesregierung von der Fluthilfe 2013 bei der Bundestagswahl im September profitieren wird, bleibt abzuwarten.

Bild: Photocase / steffne

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