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Meinungen - 28.06.2017 - 00:00 

Der Terror von London – und warum Krieg die falsche Antwort ist.

Stärke gewinnt der Terrorismus erst aus der falschen Reaktion derer, die seine Opfer sind, schreibt Martin Booms, HSG-Dozent und Wirtschaftsethik-Professor an der Steinbeis University Berlin. Er spricht sich für die Stärkung der eigenen Wertegrundlagen und den Zusammenhalt der Gesellschaft aus. Nur ein Sicherheitsbegriff, der auf Freiheit baut, könne etwas gegen Terrorismus ausrichten.

29. Juni 2017. Der Terror scheint endgültig in der westlichen Welt angekommen – die jüngste Anschlagserie in London bestätigt dies auf traurige Weise. Diese Entwicklung ist zweifellos bedrohlich – umso wichtiger, angemessen damit umzugehen. Die politische Reaktion fällt immer wieder auf ein Schlagwort zurück, das seinen Ursprung bei den 9/11-Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center hat: den «Krieg gegen den Terror». Ist diese Reaktion aber vernünftig? Die Antwort lautet eindeutig: nein. Im Gegenteil. Wer den Terroristen den Krieg erklärt, erweist ihnen den grösstmöglichen Dienst.

Krieg versus Terrorismus

Aber Vorsicht: Das bedeutet im Umkehrschluss keineswegs, einem radikalen Pazifismus das Wort zu reden. Denn im Einzelfall kann es durchaus legitim, ja sogar geboten sein, mit militärischen Gewaltmitteln gegen Terroristen vorzugehen, wie es derzeit etwa gegen den selbst ernannten «Islamischen Staat» geschieht. Aber: Terror militärisch zu bekämpfen oder einen Krieg zu führen sind zwei grundverschiedene Dinge. Verständlich wird dies, wenn man sich Klarheit darüber verschafft, was die Begriffe Krieg und Terrorismus eigentlich bedeuten.

Denn der Krieg ist – wie bereits der Militärtheoretiker Carl von Clausewitz wusste – eine Form der Auseinandersetzung zweier Parteien auf Augenhöhe: ein Konflikt zwischen grundsätzlich gleichberechtigten Gegnern auf gemeinsamem Grund. Wer Terroristen den Krieg erklärt, wertet sie damit also auf: als eine prinzipiell anerkannte und dadurch legitimierte Konfliktpartei. Genau dieser Anspruch auf eine anerkannte, «kriegsfähige» Gegnerschaft macht aber den Terrorismus für seine Anhänger so attraktiv. Tatsächlich sind Terroristen keine Krieger, sondern Kriminelle, die als solche gerade keinen Anspruch auf politische Anerkennung haben.

Terrorismus macht seine Opfer zu Komplizen

Schliesslich muss man sich klar machen: Der Terrorismus ist aus sich heraus schwach – gerade deswegen kann er nur punktuell und aus dem Hinterhalt zuschlagen. Seine Stärke beruht gerade nicht auf der einzelnen Gewalttat, die er verübt – so schrecklich diese auch im Einzelfall für die Betroffenen sein mag. Stärke gewinnt der Terrorismus erst aus der falschen Reaktion derer, die seine Opfer sind.

Das ist das Perfide am Terrorismus: Er macht seine Opfer zu Komplizen, ja Vollzugsorganen der eigenen Intention. Er animiert die betroffene Gesellschaft dazu, eigenhändig Freiheitswerte zu korrumpieren, die er selbst direkt nie erschüttern könnte. Verweigert man diese Reaktion, läuft der Terrorismus ins Leere.

Der Ruf nach Einschränkung von Freiheits- oder gar Menschenrechten – wie jüngst von der britischen Premierministerin Theresa May angesichts der Anschläge von London erhoben – ist daher ebenso wie der Krieg gegen den Terror der falsche Weg: Es nützt dem Terrorismus mehr, als er ihm schadet. Erforderlich ist vielmehr eine sicherheitspolitische Neubesinnung, die den Blick nach innen richtet: auf die Stärkung der eigenen Wertegrundlagen und den Zusammenhalt der Gesellschaft. Erfolg kann der Terrorismus nur haben, wenn sein Gift in die Risse der freiheitlichen Kultur einzudringen vermag. Diese Risse zu heilen oder zu verhüten, ist daher erstes und wichtigstes Erfordernis einer richtig verstandenen Sicherheitspolitik. Im Kern liegt nachhaltige Sicherheit daher im Bereich der Integrations-, Sozial- und Bildungspolitik – während die konkrete Gefahrenabwehr durch polizeiliche oder notfalls militärische Mittel nur ihre äussere, zwar notwendige, aber keineswegs hinreichende Vorbedingung ist.

Wenn wir es schaffen, einen solchen Sicherheitsbegriff – der gerade nicht gegen, sondern nur durch Freiheit Bestand hat – zum Massstab zu nehmen, hat der Terrorismus keine Chance.

Foto: Photocase / masone

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