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Meinungen - 21.07.2016 - 00:00 

US-Wahl 2016: Von Reagan träumen – aufwachen mit Trump

Die grosse Rebellion blieb aus, dem Protokoll wurde Folge geleistet: Die Republikanische Partei krönte an ihrem Konvent in Cleveland, Ohio, den politischen Neuling, Unternehmer und Reality-TV-Star Donald J. Trump zu ihrem offiziellen Kandidaten. Ein Meinungsbeitrag von Dr. Claudia Franziska Brühwiler.

22. Juli 2016. Der stete Blick in die Geschichtsbücher gehört zum amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf genauso dazu wie schrille Fernsehspots, hitzige Wortgefechte und blau-rot-weisse Luftballons. Gerade in einem Jahr, in dem der Verlauf der Dinge nicht dem gewohnten Drehbuch gehorchen will, sich die Wunschkandidaten der Elite früh aus dem Rennen verabschieden und das Feld dem Quereinsteiger Donald J. Trump überlassen mussten, flüchten sich viele Beobachter in die Annalen der Partei.

Die Rebellion bleibt aus

Mit dem Parteitag verband sich lange die Hoffnung auf, wie es ein amerikanischer Journalist ausdrückte, das «Monster von Loch Ness»: eine sogenannte «brokered convention», bei der kein Kandidat in der ersten Wahlrunde die Mehrheit der Delegiertenstimme erringen würde, das Rennen wieder offen und die Chancen von Kandidaten wie dem Gouverneur Ohios, John Kasich, intakt wären. Wie das Auftauchen Nessies ist ein solcher Parteitag indessen ein seltenes Ereignis – bei den Republikanern muss man gar bis 1948 zurückblättern – und zudem wusste Trump zu viele Delegierte auf seiner Seite, als dass noch mit einem Aufstand der Moderaten gerechnet werden durfte.

Wenn nicht Rebellion, so gab es doch unzufriedenes Grummeln und Widerspruch: Statt einer prunkvollen Krönungsmesse, an welcher der gesamte republikanische Hofstaat einfuhr, liess man seitens der Partei den Kandidaten immer wieder spüren, dass er nicht allen genehm ist. So blieben neben vielen anderen auch die Familie Bush dem Geschehen fern, dem Gouverneur des Gastgeberstaats waren seine Prinzipien wichtiger als die Gelegenheit zu einem vielgesehenen Auftritt und der Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, konzentrierte sich in seiner Rede lieber auf konservative Ideen denn auf die Qualitäten Trumps. Als dann auch noch Plagiatsvorwürfe an die Ehefrau Trumps aufkamen, deren Rede einer von Michelle Obama auffallend ähnelte, befürchteten viele Republikaner ein Skandaltheater auf der Konventbühne.

Das grosse Vorbild Ronald Reagan

Der Geist Ronald Reagans wurde noch mehr herbeigesehnt als bei der letzten Ausgabe des Parteitags. Ted Cruz, Senator aus Texas, hatte sich lange im Rennen um die Nomination gehalten und gehofft, die Strategien des grossen Vorbilds könnten für ihn zum Erfolg führen. Bereits im April präsentierte er Carly Fiorina als Mitstreiterin und Kandidatin für die Vizepräsidentschaft, und nun am Parteitag wollte er an 1976 erinnern, als Reagan dem amtierenden Präsidenten Gerald Ford die Nomination streitig machte. Für das grosse Vorbild ging die Rechnung vier Jahre später auf – ob das bei Cruz auch der Fall sein wird, darf angesichts der gemischten Reaktionen bezweifelt werden.

Auf dem konservativen Fernsehkanal Fox News feierten Rudy Giuliani, ehemals Bürgermeister von New York, und Newt Gingrich, einst Repräsentant Georgias, ihren eigenen Reagan-Nachfolger: Donald Trumps Rede am vierten Tag des Konvents markierte Ende und Höhepunkt des Nominierungsmarathons – und liess ihn ein wenig von seinem üblichen schrillen Stil abweichen, etwas «präsidialer» auftreten. Statt die Rufe nach Hillary Clintons Inhaftierung anzuheizen, meinte er, sie lieber besiegen zu wollen. Doch mit dem düsteren Bild, das Trump von Amerikas Gegenwart zeichnete, dem Pessimismus und dem für seine Begriffe eher steifen Auftreten erinnerte er mehr an Richard Nixon als an Reagan.

Ein Rendezvous mit dem Schicksal

«A rendezvous with destiny», ein Rendezvous mit dem Schicksal habe Amerika, meinte Reagan, als er den Aussenseiterkandidaten Barry Goldwater 1964 unterstützte. Trumps Kandidat für die Vizepräsidentschaft, Mike Pence, nahm das Zitat auf – und sprach damit wohl ungewollt vielen aus dem Herzen, die bange auf die Zukunft der Republikanischen Partei blicken. Hier konnte einzig ein Nebenredner etwas Hoffnung schüren: «I am proud to be gay. I am proud to be a Republican. But most of all I am proud to be an American.» Er sei stolz darauf, schwul, Republikaner und Amerikaner zu sein – Jahre zuvor wäre der Mitbegründer von PayPal, Peter Thiel, dafür mit Sicherheit ausgebuht worden. Dieses Jahr skandierten die Delegierten «USA! USA!».

Dr. rer. publ. Claudia Franziska Brühwiler ist Staatswissenschaftlerin mit Schwerpunkt American Studies.

Bild: misterQM / photocase.de

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