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Campus - 23.03.2017 - 00:00 

Wissenschaftscafé St.Gallen: Sauberes Trinkwasser als Menschenrecht

Am 22. März 2017 lud die Stiftung «Science et Cité» im St.Galler Textilmuseum zur öffentlichen Gesprächsrunde im «Wissenschaftscafé». Expertinnen und Experten der Pädagogischen Hochschule, der Fachhochschule und der Universität St.Gallen diskutierten mit Gästen über «Leitungswasser als Menschenrecht».<br/>

24. März 2017. Die Stadt St.Gallen und ihre drei Hochschulen (Universität, Fachhochschule und Pädagogische Hochschule St.Gallen) sind seit September 2016 Mitglied der Blue Community Initiative. Städte, Gemeinden, Hochschulen und andere Institutionen, die das Label Blue Community tragen, anerkennen das Menschenrecht auf Wasser. Sie achten auf einen nachhaltigen Umgang mit Wasser und setzen sich dafür ein, dass die Wasserversorgung und -nutzung Sache der öffentlichen Hand bleibt. Blue Communities regen die Menschen in ihrem Umfeld dazu an, wieder mehr Leitungswasser zu trinken. Prof. Dr. Sibylle Minder Hochreutener, Prorektorin FHS St.Gallen moderierte die Diskussion mit dem Publikum und folgenden Podiumsgästen:

  • Massimo Pedretti, zuständig für Energieprojekte im Amt für Umwelt und Energie, Stadt St.Gallen
  • Prof. Dr. Thomas Dyllick, Professor für Nachhaltigkeitsmanagement, Universität St.Gallen.
  • Esther Giger Robinson, Co-Leiterin International Office Fachbereich Wirtschaft, FHS St. Gallen
  • Stefanie Graf, Leiterin Rektoratsstab und Verantwortliche für das Projekt Blue University, PHSG

Thomas Dyllick eröffnete die Runde mit Zahlen und Fakten rund um das «Wasserschloss Schweiz» und die globale Wasserkrise. Diese sei eine der grössten Herausforderungen des Jahrhunderts. «884 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser; das sind 13 Prozent der Weltbevölkerung, oder jeder sechste Erdenbürger. Über 2,6 Milliarden Menschen müssen ohne sanitäre Einrichtungen auskommen – das ist jeder dritte Mensch weltweit», sagte der Delegierte für Nachhaltigkeitsmanagement an der HSG über das Lebenselixier Wasser. Die Schweiz verfüge über ausreichend grosse Wasserressourcen bester Qualität, ergänzte Thomas Dyllick. Das heisse aber nicht, dass das Alpenland von den globalen Wasserproblemen nicht betroffen sei. Nur 18 Prozent des «Wasser-Fussabdrucks» würden innerhalb der Schweiz erzeugt.

Wasserverbrauch in der Schweiz nachhaltig gestalten

Ein bemerkenswerter Anteil von 82 Prozent entfalle auf importierte Waren und Dienstleistungen, erklärte Thomas Dyllick. «Ein Bewohner der Schweiz verbraucht im Haushalt zum Trinken, Kochen, Reinigen und Waschen im Durchschnitt 162 Liter Wasser pro Tag. Wenn man das «virtuelle Wasser», welches benötigt wird, um Lebensmittel, Getränke, Kleidung und andere Konsumgüter herzustellen, auch noch berücksichtigt, beläuft sich der Wasser-Fussabdruck aber auf insgesamt 4200 Liter pro Person und Tag in der Schweiz».

Den Löwenanteil des Schweizer Wasser-Fussabdrucks (81 Prozent) machten Produktion und Konsum landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus. Auf Industriegüter entfielen 17 Prozent, während die verbleibenden zwei Prozent in privaten Haushalten verbraucht würden, so Dyllick weiter. «Ein grosser Wasser-Fussabdruck ist an sich noch nichts Schlimmes», sagte Dyllick. «Ein Produkt, für das viel Wasser genutzt wird, das jedoch aus einer Region stammt, in der es grosszügige Wasservorräte oder ein gesundes Wassermanagement gibt, richtet keinen Schaden an. Es geht vielmehr darum, zu ermitteln, an welchen Orten und zu welchen Jahreszeiten der Wasser-Fussabdruck nicht nachhaltig ist.»

Abwasserreinigung in St.Gallen

Wie St.Gallen mit seinen Wasserressourcen umgeht, schilderte Massimo Pedretti vom Amt für Umwelt und Energie der Stadt St.Gallen. Die Gäste interessierten sich für die Möglichkeiten, die die Stadt habe, Abwasser zu reinigen und für die Frage, wie sie als Verbraucher nachhaltiger mit dem Lebenselixier umgehen könnten. Die Kläranlagen sorgten zum Beispiel mit Ozon-Bestrahlung dafür, Medikamente aus dem Abwasser unschädlich für den weiteren Wasserkreislauf zu gestalten, erklärte Massimo Pedretti. Im Haushalt könnten Konsumenten auf die Verwendung umweltfreundlicher Waschmittel, Waschnetze für Kleidung sowie Filter gegen Mikroplastik-Verunreinigung achten.

Blue Community in die Welt hinaus tragen

Was der Bildungssektor für einen bewussteren Umgang mit und den Zugang zu sauberem Trinkwasser weltweit tun kann, erklärten die drei Vertreter der Hochschulen. Thomas Dyllick erwähnte Projekte, in welchen HSG-Studierende gezielt gegen die Wasserknappheit in abgelegenen Regionen von Schwellen- und Entwicklungsländern vorgingen. Zum Beispiel mit selbstreinigenden Wasserfiltern und Brunnen, getrieben von Sonnenkollektoren.

Esther Giger Robinson, Co-Leiterin International Office Fachbereich Wirtschaft, FHS St.Gallen, berichtete von einer südtürkischen Partner-Hochschule, welche das Konzept der Blue Community 1:1 übernommen und auf ihrem Campus umgesetzt habe. Auch Gaststudierende würden an der FHS St.Gallen in Projekten für die Kostbarkeit sauberen Wassers sensibilisert und trügen diese Ideen in ihr Herkunftsland zurück. Stefanie Graf, Leiterin Rektoratsstab und Verantwortliche für das Projekt Blue University, PHSG, betonte, dass sich nicht nur die Lehre, sondern auch die Forschung systematisch mit dem Thema Wasserknappheit auseinandersetzen müsse.

Kinder erziehen Eltern zu schonendem Wasserverbrauch

Sensibilisierung in Schulen helfe auch dabei, Kinder für das kostbare Nass zu interessieren. Diese wiederum erzögen auch ihre Eltern, wusste Sibylle Minder Hochreutener, Prorektorin FHS St. Gallen, aus eigener Erfahrung zu berichten. Auch die Stadt öffne neugierigen Besuchern ihre Türen: Klärwerk und Wasserspeicher könnten jederzeit mit einer Führung besichtigt werden, sagte Massimo Pedretti.

«Wenn wir mit einem bewussten Blick auf den Konsum von Fleisch (28 Prozent), Getreide (elf Prozent), Zucker (zehn Prozent), Milch (zehn Prozent), Speiseölen (neun Prozent) sowie Kaffee und Tee (acht Prozent) anfangen, aber auch Baumwolle, liegen wir sicher nicht falsch – und tun noch etwas für unsere Gesundheit», sagte Thomas Dyllick zum Abschluss der Diskussion. Hahnenwasser geniessen statt Trinkwasser aus Plastikflaschen, den Wasserverbrauch senken, Abwasser nach allen Regeln der Kunst reinigen und alle Menschen zu umweltfreundlichem Alltagsumgang mit Wasser motivieren: Diese Ideen nahmen die Gäste des Wissenschaftscafés nach einem schmackhaften Apéro bei Wasser, Gebäck und Wein im St.Galler Textilmuseum mit nach Hause.

Bild: Photocase / TheGRischun-Rafael Peier

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